Die Spaltung innerhalb der Westallianz: Kann Europas Widerstand den Krieg verhindern? German Share Tweet This is the German translation of The Split in the western alliance Can Europe's opposition prevent war? Die große Nachricht ist derzeit die aktuelle tiefe Spaltung der Westallianz in der Frage des Irakkrieges. Nun, da der Moment der Wahrheit näher rückt, wachsen die Differenzen innerhalb des Sicherheitsrates zusehends. Am 22.Jänner versprachen Frankreich und Deutschland zu versuchen den Krieg zu verhindern, selbst wenn dies bedeuten würde, dass sie bei einer Abstimmung innerhalb der UNO die Vereinigten Staaten nicht unterstützen könnten. Deutschland deklarierte, es wäre nicht bereit für eine Resolution zu stimmen, die ein militärisches Vorgehen gegen den Irak beinhalten würde. „Unsere Bevölkerung kann darauf zählen, dass die deutsche und die französische Regierung mit vereinter Kraft und vereinten Bemühungen dafür sorgen werden, dass Frieden erhalten, Krieg verhindert und die Sicherheit aufrecht erhalten wird.“ schrieb der deutsche Kanzler Schröder am 22. Jänner in der Berliner Zeitung. Später dann erklärte auch Frankreichs Präsident Chirac bei einem Treffen in Paris, mit Gerhard Schröder an seiner Seite, er würde mit der deutschen Position übereinstimmen.Donald Rumsfeld kanzelte daraufhin Frankreich und Deutschland in einer bösen Antwort als „altes Europa“ ab. Dabei stellte Rumsfeld fest, dass der Schwerpunkt Europas Richtung Osten wandern würde, womit Betonung auf die Tatsache gelegt wurde, dass die USA sehr darum bemüht sind, die Unterstützung der osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn und Tschechien als proamerikanische trojanische Pferde innerhalb der EU zu bekommen. Dies erzürnte Deutschland und Frankreich aber nur noch mehr. Es wurde ihnen ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass die USA machen werden was sie wollen, egal ob mit oder ohne Unterstützung durch Europa.Wird hierdurch negiert was wir in unsrem letzten Artikel bezüglich der Positionierung von Russland und Frankreich geschrieben haben? Keinesfalls. Es war immer klar, dass Frankreich, Russland und Deutschland in Opposition zur amerikanischen Irakpolitik stehen. Sie haben unterschiedliche Interessen und verfolgen daher eine andere Politik. Dies stand nie in Frage. Der Punkt ist jedoch, dass dies die USA nicht davon abhalten wird ihre erklärten Ziele zu erreichen. Lediglich entstehen dadurch zusätzliche Komplikationen für Bush & Co., die sie natürlich lieber nicht hätten, aber letztendlich ohne Schwierigkeiten abschütteln können, so leicht wie ein Mensch eine lästige Fliege verscheucht. Viel mehr noch, am Ende werden Frankreich und Russland ihre oppositionelle Haltung zurückziehen müssen, sonst würden sie vor der Welt exponiert werden als irrelevante und impotente Staaten, die viel reden und nichts tun. Immerhin muss auch noch die Kleinigkeit der Ölverträge nach dem Krieg in Betracht gezogen werden...Zu glauben, dieser Widerstand würde dazu ausreichen, den Krieg zu verhindern, wäre höchst naiv. Die Entscheidung für einen Angriff auf den Irak wurde schon vor langem in Washington getroffen und daran wird sich nichts ändern, nur weil es Politikern in Paris, Moskau und Berlin nicht gefällt. Selbstverständlich sagt George Bush, die Entscheidung über einen Militärschlag wurde noch nicht gefällt, jedoch angesichts der Tatsache, dass mehr als 150.000 Mann bereits im Golf zusammengezogen worden sind, wäre es sehr dumm diesen Behauptungen Glauben zu schenken. Im Gegenteil, alles deutet darauf hin, dass ein Angriff knapp bevorsteht. Russische Offizielle gaben bekannt Informationen zu haben, dass der Krieg Mitte Februar beginnen würde. Wir haben keinen Grund dies in Zweifel zu stellen.Russland warnt Amerika vor einem militärischen Angriff, sollten die Inspektoren ihre Nachforschungen noch fortsetzen wollen. Moskau macht sich jedoch keine Illusionen über den Effekt solcher Warnungen. Eine hochrangige militärische Quelle aus Russland wurde vor kurzem folgendermaßen zitiert: „Nach unseren Informationen ist die Operation für die zweite Februarhälfte geplant.“ Außerdem wurde ausgeführt, die Militäraktion würde etwa einen Monat dauern und hätte die Kontrolle über die irakischen Ölfelder zum Hauptziel. Nachdem Russland selbst sehr an den irakischen Ölquellen interessiert ist, wächst angesichts solcher Aussichten die Sorge Moskaus. Wie auch immer, da Russland keinerlei Absichten hat, eine Konfrontation mit der US-Armee zu suchen, interessieren solche Bedenken George Bush und seine Generäle nicht besonders.Einige Länder bestehen darauf den UN-Inspektoren mehr Zeit zu geben, um den Irak auf das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen zu untersuchen. Nach den Aussagen von Mohamed El Baradei, dem Chef der Atomenergiebehörde, brauchen die Inspektoren „doch noch einige Monate“ um ihre Arbeit abzuschließen. „Ich plädiere daher für die Fortsetzung der Waffeninspektion“, so sein Standpunkt.Frankreich und Deutschland sind sich einig in ihrer Unterstützung für die Inspektoren. Frankreich gab bereits den Hinweis, als eines der fünf permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, neben den USA, Großbritannien, China und Russland, könne es sogar ein Veto gegen eine Resolution einlegen, die den Einsatz von Gewalt gegen den Irak legitimiert. Frankreich vertritt die Meinung, dass ein derartiger Einsatz von Gewalt durch die bisher von den Waffeninspektoren gefundenen Beweise nicht gerechtfertigt sei. Dies ist absolut korrekt, aber auch absolut irrelevant, nachdem Washington von Anfang an die Absicht hatte Saddam Hussein zu eliminieren, um ein proamerikanisches Marionettenregime in Baghdad installieren zu können.Die Unzufriedenheit im Nahen Osten ist enorm. Das NATO-Mitglied Türkei hat profunde Einwände gegen die Politik Washingtons und hat ein regionales Treffen der Außenminister von Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien einberufen. Aufgrund der äußerst instabilen Situation in der Türkei ist die Regierung in Ankara tief besorgt über einen Krieg im Irak. Letztendlich wird die Türkei die USA dann aber doch als Gegenleistung für einige Zugeständnisse unterstützen.Die türkische Bourgeoisie hat ein Auge auf die Ölfelder in Kirkuk und Mosul geworfen. Die Tatsache, dass die Kurden dieses Gebiet als Teil ihres Territoriums beanspruchen, beeindruckt sie nicht. Sollten die Kurden die Ölfelder besetzen, würde die türkische Armee in Marsch gesetzt werden um die Kurden zu vertreiben. Dies ist nur ein kleiner Ausblick auf die Instabilitäten, die der US-amerikanischen Invasion im Irak folgen werden. Dieser Krieg ist ein perfektes Rezept für Chaos in der gesamten Region. Hier liegt auch der Grund für die Unzufriedenheit der arabischen Regime und auch des Iran. Die Befindlichkeiten dieser Regime sind jedoch kein bestimmender Faktor für die Kalkulationen des Pentagon.Die Spaltung innerhalb der “Alliierten” ist sehr ernst und reflektiert die wachsende Panikstimmung auf Seiten der herrschenden Klasse in der arabischen Welt. Panik ja, aber auch eine gehörige Portion Fatalismus. Die Konferenz der Nahoststaaten in der Türkei hat die Konfusion und Unfähigkeit dieser Länder offengelegt, Entscheidungen zu treffen. Die Machthaber schlagen sehr viel Lärm, in der Realität wissen sie jedoch, dass sie nicht mehr selbst über ihr eigenes Schicksal bestimmen. Alles wird in Washington entschieden. Die Ungeduld von George Bush bezüglich einer Militäraktion wächst täglich, wenn nicht sogar stündlich. „Wie viel Zeit brauchen wir noch um sicher zu sein, dass er nicht abrüstet? Für mich sieht das aus wie die Wiederholung eines schlechten Films und ich will nicht mehr länger zusehen“, knurrte er vor wenigen Tagen. Was können wir daraus schließen? Wenn die USA davon ausgehen müssen, im Sicherheitsrat kein zufriedenstellendes Abstimmungsergebnis erhalten zu können, dann werden sie nicht einmal versuchen ein UNO-Mandat für einen Militärschlag zu bekommen. Dann werden sie stattdessen eigenständig bzw. mit der Unterstützung Großbritanniens und allen weiteren freiwilligen Alliierten handeln um Saddam Hussein zu stürzen. Hans Blix, der UNO-Chefinspektor, wird Ende Jänner einen Bericht über den Fortschritt der Inspektionen vorlegen. Blix hatte gehofft, er würde die Erlaubnis bekommen, einen weiteren Bericht im Februar vorzulegen. Sollte Russland richtig liegen, haben die Waffeninspektoren jedoch nicht mehr viel Zeit übrig. Nach zwei Monaten der Untersuchung haben die Inspektoren noch keinen klaren Beweis entdecken können, der notwendig wäre um die Welt zu überzeugen, dass der Irak immer noch über nukleare, chemische oder biologische Waffenprogramme verfügt. Die Vorstellung die USA wären bereit Zeit zu verschwenden und abzuwarten, bis Blix „Beweise“ findet, ist absurd. Die Bedürfnisse der Diplomatie kommen nun in Konflikt mit den Forderungen des Militärs. In solchen Konflikten gewinnt tendenziell immer das Militär. Es bedarf keiner besonderen Intelligenz um den Grund dafür zu verstehen. 150.000 Soldaten monatelang unter der Hitze der Wüste in abwartender Stellung zu halten, ist für einen Militär keine ernsthafte Option, weil dies nicht gerade die Moral der Truppe hebt. Deshalb ist die Vorhersage, die Kampfhandlungen würden irgendwann innerhalb des nächsten Monats beginnen, wahrscheinlich angemessen. Der einzige Grund, warum sie überhaupt solange abgewartet haben, ist, dass noch nicht alle Truppen vollständig in Position gebracht sind. Wenn erst einmal der militärische Aufmarsch am Golf abgeschlossen ist und eine kritische Masse erreicht hat, wird die Zeit für die Diplomatie abgelaufen sein. Die Dienste des Herrn Blix sind dann nicht mehr weiter erforderlich.Zwei Tage nach dem Treffen des UNO-Sicherheitsrates wird George Bush eine Diskussion mit seiner Bauchrednerpuppe Tony Blair in Camp David führen. Nachdem Bauchrednerpuppen nicht sonderlich viel dagegen reden, wird dies wohl eine sehr freundschaftliche Angelegenheit werden. Blair, der mit einer wachsenden Opposition im eigenen Land konfrontiert ist und daher wahrscheinlich selbst die Verhinderung eines Krieges bevorzugen würde, behauptet nun, dass der auf den Irak ausgeübte Druck bereits einen Effekt auf das Regime Saddam Husseins hätte. „Sie sind durchrüttelt, sie sind geschwächt,“ teilte er dem britischen Parlament mit. Großbritannien wandelt unsicher auf einem Drahtseil. Man hat eine großes Truppenkontingent an den Golf entsandt, ein Viertel der britischen Armee, und wie üblich folgt London sklavisch dem Diktat des Weißen Hauses, obwohl der Krieg innerhalb der britischen Bevölkerung und vor allem innerhalb der Labour Party äußerst unpopulär ist. Trotz allem bleibt Blair klar bei seiner Unterstützung für Bush. Dieser offen bürgerliche Politiker, der – egal welche politische Frage – von Tag zu Tag immer mehr wie ein Tory klingt, hat sich selbst an den Streitwagen des US-Imperialismus gebunden und kann sich nicht herauswinden. Die Fähigkeit dieses Mannes zur Selbsttäuschung kennt keine Grenzen. Er spricht von einer „speziellen Beziehung“ mit Amerika, während die wirkliche Beziehung die zwischen einem Herrn und seinem Lackeien ist. Er hat sich sogar soweit selbst belogen, dass er meint, er selbst und nicht George Bush sei der wahre Führer der „Koalition gegen den Terror“. Natürlich ist es so, dass der Herr in manchen Fällen auf den Ratschlag seines Dieners hören wird. Wie auch immer, solche Ratschlage müssen beschränkt bleiben auf solche Fragen wie die nach der Farbe seiner Krawatte, wird sich jedoch niemals ausdehnen auf die großen Investitionsentscheidungen oder eben den Krieg gegen den Irak. Wie es ein politischer Kommentator ausdrückte: „Hier haben wir ein schäumendes Rhinozeros mit Blair auf seinem Rücken, der schreit: ‚Ich reite es!’ Aber anstatt es zu reiten wird er nur auf und ab gestoßen.“ Während Amerika und Großbritannien ihren enormen Truppenaufmarsch fortsetzen, wird Camp David ganz klar ein Kriegskonzil sein, in welchem Bush alles entscheiden und Blair „Amen“ sagen wird. Nicht alles ist aber gut für Tony Blair. Die Unterstützung für den Krieg nimmt ständig weiter ab. Mindestens hundert Parlamentsabgeordnete der Labour Party drohen im Falle eines Krieges mit einer innerparteilichen Revolte. Tony Blair beginnt das Feuer unter seinem Hinterteil zu spüren. Sobald der Krieg ausbricht, wird es eine riesige Opposition in Großbritannien wie auch im Rest Europas und in den USA selbst geben.Alle Kraft der internationalen Arbeiterbewegung muss gegen den Krieg mobilisiert werden! Schon jetzt haben sich Zugführer in Großbritannien geweigert Munition zu transportieren. In Belgien gibt es eine Bewegung gegen die Benutzung der Häfen für den Transport von Waffen in den Golf. Massendemonstrationen wurden organisiert von Washington bis Florenz. Die Bewegung muss verbreitert und intensiviert werden!Nein zum Krieg gegen den Irak! Kein Krieg außer dem Klassenkrieg!London, 24. Jänner 2003