Die Lehren aus der Coronavirus-Krise in Italien für die Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit Share TweetDie Coronavirus-Krise in Italien hat den wahren Charakter des kapitalistischen Systems zum Vorschein gebracht, der nun für Millionen von Werktätigen offensichtlich ist. Der private Profit wird über das Leben gestellt, aber die Arbeiterklasse reagiert kämpferisch.[Source]Die Welt ist in eine Krise von globalem Ausmaß geraten, sowohl hinsichtlich des Risikos für die Gesundheit der Menschen als auch hinsichtlich des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der die Lebensweise der Menschen dramatisch verändert. Einer Prognose zufolge könnten die Vereinigten Staaten im zweiten Quartal dieses Jahres einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 30 Prozent und eine Arbeitslosigkeit von bis zu 30 Prozent erleben, was noch vor wenigen Wochen unvorstellbar gewesen wäre. In China schätzt man, dass die Wirtschaft im ersten Quartal um 40 Prozent im Vergleich zum Vorquartal geschrumpft ist, der größte Rückgang seit 50 Jahren.Die ganze Welt befindet sich nun in einer Rezession, wobei Berechnungen zufolge das globale BIP im ersten Quartal um 0,8 Prozent gesunken ist. Das klingt vielleicht nicht nach viel, aber wenn wir bedenken, dass jedes Wachstum unter 2 Prozent im globalen Maßstab als Rezession gilt, dann wird diese Entwicklung ins rechte Licht gerückt.Wer die Geschichtsbücher gelesen hat oder alt genug ist, um es erlebt zu haben, wird sich der kolossalen Klassenkämpfe bewusst sein, die in den 1970er Jahren entfesselt wurden. Das Jahr 1974 war der Wendepunkt in wirtschaftlicher Hinsicht, als das weltweite BIP-Wachstum in jenem Jahr von rund 6 Prozent im Vorjahr auf weniger als 1 Prozent zurückging. Die gegenwärtigen Rückgänge des BIP auf der ganzen Welt werden sich daher in Bezug auf den Klassenkampf in ähnlicher Weise auswirken, aber in viel größerem Ausmaß.Die Ereignisse werden rasch Geschwindigkeit aufnehmenDie Ereignisse entwickeln sich sehr schnell. Dies ist wirklich die Epoche der „scharfen Wendungen und plötzlichen Veränderungen, scharfen Veränderungen und plötzlichen Wendungen“. Wir müssen uns mit den Veränderungen, die stattfinden, schnell bewegen. Wir müssen mit der Routine brechen, wenn wir verstehen wollen, was sich um uns herum abspielt und dann entsprechend handeln.Die durch das Virus ausgelöste Pandemie wird sich unweigerlich auf die Wirtschaft auswirken, aber die Tiefe und Geschwindigkeit der gegenwärtigen Krise ist auch ein Spiegelbild der immensen Widersprüche, die sich innerhalb des Systems angesammelt hatten. Die gesamte Struktur war so zerbrechlich geworden, dass schon das kleinste Beben sie zum Einsturz bringen konnte.In der vorangegangenen Periode hatte die Kapitalistenklasse ihr System am Laufen gehalten, indem sie Mittel einsetzte, die allen Gesetzen der Marktwirtschaft zuwiderliefen. So wurden über Jahrzehnte hinweg riesige Summen in Form von weit gestreuten Krediten in die Wirtschaft gepumpt, weit über das hinaus, was sie in der Vergangenheit getan hätte.Die seriösen bürgerlichen Kommentatoren hatten vor den Folgen einer solchen Politik gewarnt. Aber es stellt sich die Frage, warum sie ignoriert wurden. Der Grund ist nicht nur im Bereich der Wirtschaft zu suchen. Es gibt einen politischen Faktor, der hier eine Rolle spielt.Trotz der eigenen Propaganda der Bourgeoisie, die einige von ihnen vielleicht sogar glaubten, war die Arbeiterklasse nicht verschwunden. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Die Arbeiterklasse war zahlenmäßig noch nie so stark wie heute. Die weltweite Arbeiterklasse ist etwa 2,5 Milliarden Menschen stark, wobei es allein etwa 400 Millionen Metallarbeiter gibt. Und die Bourgeoisie ist sich der Tatsache sehr bewusst, dass eine so große Kraft nicht allein durch Repressionen aufgehalten werden kann.Alles, was die Gefahr birgt, diese Hunderte von Millionen zu verärgern, könnte eine Welle revolutionärer Umwälzungen auslösen, wie es sie noch nie zuvor in der Geschichte gegeben hat. Wie Marx erklärte, schafft der Kapitalismus seine eigenen Totengräber.In der vorangegangenen Periode schien die Arbeiterklasse im Hintergrund zu stehen, nicht auf dem Vordersitz. Bis vor einigen Jahren schien sich an der industriellen Front wenig zu tun. Das hatte sich bereits in der jüngeren Zeit in einem Land nach dem anderen zu ändern begonnen.Jetzt hat sich dieser Prozess beschleunigt und bewegt sich auf ein viel höheres Niveau. Die Arbeiterklasse beginnt als die wirkliche Kraft zu erscheinen, die sie schon immer war, aber nur wenige waren sich dessen bewusst. Dies ist ein Faktor, der vielen Menschen die Zustände sehr deutlich macht und den bereits eingeleiteten Radikalisierungsprozess beschleunigt. Am deutlichsten kommt dies in Italien zum Ausdruck, wo wir von einer Periode sehr geringer Streikaktivität zu einer breiten Streikwelle übergegangen sind.Die gegenwärtige Krise bringt den wahren Klassencharakter der Gesellschaft zum Vorschein. In allen Ländern, die vom Ausbruch des Coronavirus betroffen waren, haben die Kapitalisten und ihre Politiker die Schwere des Virus heruntergespielt. US-Präsident Trump ist das beste Beispiel, in der Anfangsphase versuchte er zu behaupten, es handele sich um einen Schwindel, und jetzt sagt er, dass Amerika in zwei Wochen wieder an die Arbeit gehen wird. Boris Johnson verhielt sich ähnlich; Bolsonaro in Brasilien folgte ihm und so weiter.Als die Kapitalisten erkannten, was die Ausbreitung des Virus für die Wirtschaft bedeuten könnte, was sie für ihre Profite bedeutet, drängten sie darauf, die Produktion in allen Sektoren fortzusetzen, unabhängig davon, ob sie notwendig war oder nicht.Die Arbeiterklasse kommt in BewegungDieses Verhalten der Bosse hat eine Streikwelle ausgelöst, die zunächst in Italien begann, wo die Pandemie schwer zuschlug. In Italien wurde den arbeitenden Menschen überdeutlich, dass die Intensität und Art der Schutzmaßnahmen davon abhängt, ob man Arbeiterin und Arbeiter ist oder nicht.Am 4. März wurde ein Dekret verabschiedet, das die Abriegelung und Isolierung einführte. Schulen und Universitäten wurden geschlossen und andere Maßnahmen zur Isolierung der Menschen ergriffen. Die Botschaft an die Menschen überall lautete: Bleibt zu Hause. Aber es gab eine große Ausnahme: die Arbeiterinnen und Arbeiter! Das bedeutete, dass immer noch Millionen Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und an den Arbeitsplätzen in unmittelbarer Nähe unterwegs waren und engen Kontakt hatten. Dort konnte man Schulter an Schulter mit den Kollegen arbeiten, ohne Handschuhe oder Masken oder andere notwendige Schutzmaßnahmen.Spontane Streiks brachen am 9. März in Fabriken wie bei FIAT in Pomigliano in der Nähe von Neapel und am 12. März in der Fabrik Bonfiglioli in Bologna aus. Diese und andere Beispiele entzündeten eine Bewegung, die sich von Fabrik zu Fabrik, in der Region Venetien, in der Lombardei, bis hin zu den Hafenarbeitern von Genua und darüber hinaus ausbreitete. Die Arbeiter kämpften für ihre eigene Sicherheit und die ihrer Familien. Und doch gab es Fälle wie in Modena, wo die Polizei an den Streikpostenketten auftauchte und einige der kämpferischen Gewerkschafter in Gewahrsam nahm, was die Arbeiter noch wütender machte.Um es klar zu sagen: Dies wurde nicht von den Spitzen der Gewerkschaften gefördert. Sie hatten vielmehr den gegenteiligen Standpunkt vertreten und mit der Regierung und den Bossen zusammengearbeitet, um die Fabriken am Laufen zu halten.Die Bewegung von unten war jedoch so groß, dass die Gewerkschaftsführer, die in normalen Zeiten ihr Gewicht einsetzen würden, um die Arbeiter zurückzuhalten, plötzlich gezwungen waren, die Streiks mindestens in Worten zu unterstützen. Am 12. März gaben sie eine Erklärung ab, in der sie die Schließung der Fabriken bis zum 22. März forderten.Unter großem Druck von unten waren die Regierung und die Bosse gezwungen, sich mit den Gewerkschaften zusammenzusetzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Bei der ersten Zusammenkunft wurde jedoch versucht, die Angelegenheit zu manipulieren, indem die Regierung eine Erklärung abgab, dass die Produktion fortgesetzt wird, jedoch mit der erforderlichen Schutzausrüstung. Dies wurde in einem Moment, in dem es nicht genug Masken für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, geschweige denn für die Beschäftigten in der Industrie gibt, von den Arbeitern als ein sehr schlechter Witz angesehen, und sie waren nicht bereit, dies zu akzeptieren.Wenn der enge Kontakt ein Schlüsselfaktor für die Verbreitung des Virus ist, war es für alle Arbeiterinnen und Arbeiter völlig klar, dass sie durch den Zwang zur Arbeit gefährdet sind. Betrachtet man zwei Karten, eine über die Konzentration der registrierten Infektionsfälle und die andere über die Konzentration der Fabriken in den verschiedenen Teilen Italiens, so wird überdeutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden gibt. Die Lombardei ist die am stärksten industrialisierte Region Italiens, und innerhalb der Region Bergamo und Brescia sehen wir eine der höchsten Konzentrationen von Fabriken. Dies sind die beiden Provinzen, die derzeit ein wahres Alptraumszenario durchleben, bei dem eine große Zahl von Menschen stirbt. Dort haben Menschen in der ganzen Welt gesehen, wie die Militärlastwagen die Särge weggebracht haben, da die örtlichen Friedhöfe nicht mehr ausreichen. Diese Szenen hatten einen enormen Einfluss auf die Psychologie von Millionen Menschen in Italien.Die Manöver der italienischen RegierungSo nahm der Druck von unten weiter zu und der italienische Premierminister war gezwungen, am 21. März im Fernsehen aufzutreten und die Einstellung der nicht lebenswichtigen Produktion anzukündigen. Dies war genau die Forderung, die die Arbeiter im ganzen Land erhoben hatten. Der Sieg schien in Sicht. Aber nein, als das eigentliche Dekret am nächsten Tag veröffentlicht wurde, erwies es sich als sehr weit von dem entfernt, was mündlich versprochen worden war.Es wurde klar, dass die Regierung unter massivem Druck der Kapitalisten stand. Der Chef der Confindustria (Arbeitgeberverband) ließ die Katze aus dem Sack, als er erklärte: „Wenn wir die Produktion einstellen, werden wir Milliarden verlieren und auch die Börse wird zusammenbrechen.“ Mit diesen Worten erzählten die Kapitalisten Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern, dass der Profit mehr zählt als das Leben der Menschen.Damit ist der Konflikt nun auf eine höhere Ebene gehoben worden. In dieser Woche haben wir weitere Streiks erlebt, wobei in der Industrie in der Region Lombardei ein Generalstreik ausgerufen wurde. Es handelte sich nicht um einen Generalstreik im Sinne eines Vollstreiks aller Sektoren. Der Streik wurde in der Maschinenbauindustrie sowie in Chemie- und Textilfabriken ausgerufen. Den Berichten in den Betrieben zufolge war der Streik mit einer Beteiligungsquote von etwa 90 Prozent ein großer Erfolg. Dies zeigt die tatsächliche Stimmung in den Betrieben.Der Generalsekretär des größten Gewerkschaftsbundes CGIL, Landini, drohte zumindest verbal mit einem landesweiten Generalstreik, falls die nicht lebenswichtigen Fabriken nicht geschlossen würden. Die Manöver der Regierung und die eklatanten Versuche der Kapitalisten, die nicht lebensnotwendige Produktion am Laufen zu halten, haben Millionen von Menschen die Augen über den wahren Charakter des Systems geöffnet, in dem wir leben.Niemand kann jetzt die italienische Arbeiterklasse ignorieren, ihre Existenz leugnen, wie das zuvor in bürgerlichen, pseudo-intellektuellen Kreisen in Mode war. Am Abend müssen die wichtigsten Nachrichtensender auf die "Operai" verweisen: die Industriearbeiter. Und diese Arbeiterinnen und Arbeiter haben die enorme Sympathie der breiten Bevölkerung. Dasselbe gilt für die Bauindustrie.Es gibt noch eine weitere Schicht der Arbeiterklasse, die einen noch höheren Preis bezahlt: alle, die in lebenswichtigen Industrien wie der Lebensmittelproduktion oder der pharmazeutischen Industrie arbeiten. Und dann gibt es die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Krankenhäusern: die Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger, Reinigungskräfte in den Krankenhäusern, Krankenwagenpersonal und so weiter. Sie sind die Arbeitskräfte mit dem höchsten Ansteckungsgrad, und tragischerweise sterben dabei viele. Bislang gab es unter den Ärzten 41 Todesfälle. Es gab Fälle von Selbstmord unter den Krankenschwestern, die den immensen Druck, unter dem sie standen, nicht mehr ertragen konnten.Die Beschäftigten im nationalen Gesundheitssystem Italiens sind gezwungen, unter schrecklichen Bedingungen zu arbeiten. Sie zahlen einen hohen Preis für alle Kürzungen, die im Gesundheitswesen in der vergangenen Zeit vorgenommen wurden. Bis herbeigerufene Krankenwagen kommen, können bis zu acht Stunden oder mehr vergehen. Wenn ein Patient ins Krankenhaus gebracht wird, dauert es oft lange, bis eine Intensivstation zur Verfügung steht. Viele Patienten werden buchstäblich zum Sterben zurückgelassen, da die Ärzte denjenigen Patienten den Vorrang geben müssen, die ihrer Meinung nach am meisten von der Intensivpflege profitieren würden.Mehr Intensivstationen und mehr Krankenwagen würden weniger Todesfälle bedeuten. Und auch schärfere Sicherheitsmaßnahmen sowie effizientere und hochwertigere Schutzausrüstungen würden weniger Todesfälle mitsich bringen. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen fordern alle notwendigen Schutzausrüstungen, die derzeit bei weitem nicht ausreichen, um sie zu schützen. Auch diese Bevölkerungsgruppe genießt in der gesamten Gesellschaft großes Ansehen und ihre Notlage trägt zum wachsenden Zorn der gesamten Arbeiterklasse bei.Es ist überdeutlich geworden, dass das Gesundheitssystem systematisch unterfinanziert ist und dass dies ein Schlüsselelement für die hohe Sterblichkeitsrate ist. Das gegenwärtige Alptraumszenario bedeutet, dass in Zukunft der Kampf zur Verteidigung und Verbesserung der öffentlichen Gesundheitsdienste zu einem Schlüsselfaktor wird. Die Kapitalisten, die nur ein Ziel vor Augen haben, nämlich von der Gesundheitsversorgung zu profitieren, werden es sehr schwer haben, für die weitere Privatisierung des staatlichen Gesundheitsdienstes zu werben.Internationale AuswirkungenDa sich das Virus auf immer mehr Länder ausgebreitet hat, haben wir anderswo eine ähnliche Reaktion der Arbeiterinnen und Arbeiter erlebt. Zuerst haben wir dies in Spanien gesehen, dem bis dahin am zweitschlimmsten betroffenen Land in Europa nach Italien. Am 16. März erlebten wir Streiks in den Fabriken von Michelin, Mercedes Benz, Iveco, Airbus, Continental-Reifen und vielen anderen. Ähnliche Entwicklungen sahen wir in Kanada, mit einem Streik bei FIAT-Chrysler wegen des Coronavirus-Problems, und auch in den Vereinigten Staaten und in Frankreich, wobei sich mit der Ausbreitung des Virus in einem Land nach dem anderen ähnliche Szenarien abzeichneten.Wir sehen die Anfänge eines ähnlichen Prozesses in Britannien. Die Regierung wiederholt das, was wir in Italien gesehen haben, und ergreift immer wieder erst Maßnahmen, lange nachdem klar geworden ist, dass sie notwendig sind. Läden, Restaurants, Bars usw. wurden zur Schließung aufgefordert. Die Regierung hat jedoch klar gesagt, dass die Produktion und das Baugewerbe weitergeführt werden sollen. Während die Führungskräfte der Baufirmen von zu Hause in relativer Sicherheit arbeiten, werden ihre Arbeiter aufgefordert, ihr Leben auf dem Altar des Profits zu riskieren. Wir werden auch in Britannien Streiks erleben.Dies wird sich in jedem Land wiederholen, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Erfahrungen ihrer Kollegen aus anderen Ländern lernen. Was wir erleben, ist ein Prozess des Klassenkampfes, der sich auf globaler Ebene entwickelt. Der Kampf in allen Ländern, darüber welche Arbeitsplätze und unter welchen Bedingungen sie bestehen bleiben sollen, ist ein Klassenkampf, und zwar ein internationaler. In der nächsten Zeit wird sich dieser Kampf intensivieren und ausbreiten. In allen Ländern werden wir Manöver der Bosse und Regierungen und eine kämpferische Reaktion der Beschäftigten sehen.Der Kampf um die Schließung der FabrikenDie Beschäftigten Italiens wollen, dass die nicht lebenswichtigen Fabriken geschlossen werden. Diese Idee hat sich auch auf andere Länder ausgebreitet. Wenn die Bosse Widerstand leisten, werden sie noch mehr Wut bei den Arbeitern hervorrufen. Es gibt ein sehr wichtiges neues Element in der Situation: Die Arbeiterinnen und Arbeiter erzwingen de facto die Umstände, unter denen die Fabriken geführt werden sollen. Dies kann kein Kapitalist dulden.Angesichts der Möglichkeit einer weit verbreiteten Radikalisierung der Arbeiterklasse muss die herrschende Klasse daher möglicherweise den Forderungen der Arbeiter zumindest teilweise nachgeben. In Italien sehen wir dies jetzt, da einige Unternehmen geschlossen wurden, während andere alle möglichen Vorwände suchen, um weiterhin am Laufen zu bleiben.Die Gewerkschaftsführer haben auch einen sehr prekären Balanceakt vollzogen, indem sie einerseits versuchten, den Umfang der zunehmenden Militanz in der Arbeiterklasse zu begrenzen, und gleichzeitig den Anschein erweckten, den Forderungen der Arbeiter Ausdruck zu verleihen.Nach einem Treffen mit dem Wirtschaftsminister hat der Chef der CGIL, Landini, nachdem er vorübergehend eine militantere Haltung eingenommen hatte, nun ein faules Abkommen unterzeichnet. Die Regierung Conte hatte zunächst 94 verschiedene Branchen und Gewerbe als lebenswichtig erachtet. Diese Liste wurde zwar reduziert, aber dennoch soll eine große Zahl nicht unverzichtbarer Produktionen weitergeführt werden. Es wird geschätzt, dass noch immer sechs bis sieben Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter zur Arbeit gehen. Im Einzelhandel wurden Streiks organisiert. Zentrale Forderung war dabei die Schließung der Geschäfte an Sonntagen. Es ist jetzt aber klar, dass die Gewerkschaftsführer nicht die Absicht haben, einen landesweiten Generalstreik auszurufen.Mit der Unterzeichnung dieses Abkommens wollen die Gewerkschaftsführer die Demobilisierung der Arbeiterklasse erreichen. Weil sie keine offizielle Gewerkschaftsunterstützung für Streiks garantieren, bringen sie die Arbeiterinnen und Arbeiter in eine schwierige und prekäre Situation. So sehen wir einmal mehr, wie die Führer der Arbeiterbewegung gerade zu dem Zeitpunkt, da die Klasse in die Offensive geht, ihre ganze Autorität einsetzen, um die Situation zu entschärfen.Dies trägt dazu bei, den Mangel an echtem Kampfgeist der Gewerkschaftsführer zu entlarven. Im weiteren Verlauf wird dies zu Konflikten innerhalb der Gewerkschaften führen, wenn die Mitglieder versuchen, die unzulängliche Führung zu ersetzen.Wir haben in der Geschichte oft gesehen, dass die herrschende Klasse, wenn sie auf dieser Ebene bedroht wird, bereit ist, Kompromisse einzugehen, um Zeit zu gewinnen. Die intelligente Bourgeoisie erkennt, dass die Radikalisierung in Momenten wie diesem so weit gehen kann, dass die Arbeiter beginnen können, die Legitimität des Systems selbst in Frage zu stellen und nach anderen Wegen zu suchen, die Gesellschaft zu organisieren. Um dies zu durchbrechen, haben sie, auch mit Hilfe der Gewerkschaftsführer, akzeptiert, dass einige Industrien schließen müssen, aber weit entfernt von dem, was die Werktätigen ursprünglich forderten.Das erklärt die Situation, die wir jetzt in Italien haben, und wir werden sehr schnell sehen, dass es anderswo ständige Manöver seitens der Regierung und der Bosse gibt, an denen auch die Gewerkschaftsspitzen beteiligt sind, wobei an einem Tag Versprechungen gemacht und diese am nächsten Tag gebrochen werden.Bei all dem spielen sie mit dem Feuer und könnten gezwungen sein, sich zurückzuhalten. Es gibt einen zusätzlichen Faktor, der dazu beiträgt, einige der Kapitalisten davon zu überzeugen, große Teile der Produktion zu schließen: Die Nachfrage bricht überall zusammen. Warum also Waren produzieren, die man ohnehin nicht verkaufen kann?Dann kommt ein weiteres Element hinzu: Was soll man mit dem Arbeitskräfteüberschuss machen? Viele Arbeiter haben bereits ihre Arbeit verloren, aber auch hier wäre ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit, in einem ähnlichen Ausmaß wie in den 1930er Jahren, ein riesiger Faktor für eine weitere Radikalisierung der Arbeiterklasse. Es wäre ein deutliches Anzeichen dafür, dass dieses System sie im Stich gelassen hat.Das erklärt, warum soziale Puffer eingeführt werden, wie z.B. vorübergehende Entlassungen und leichter zugängliche Leistungen. Die herrschende Klasse rüstet sich mit den Mitteln, um den Sturm zu überstehen. Das Problem ist, dass die Verschuldung bereits astronomische Höhen erreicht hat. Deshalb werden die Leistungen, die sie jetzt gewähren, zu einem späteren Zeitpunkt von den Arbeiterinnen und Arbeitern gezahlt. Daher werden die Maßnahmen, die sie heute ergreifen können, um den aufgebauten Klassendruck zu mildern, erst dann zu einer weiteren Intensivierung des Klassenkampfes führen, wenn die Coronavirus-Krise abgeklungen ist.Das unmittelbare Anliegen der Arbeiterklasse ist es, die sicherste Umgebung für sich und ihre Familien zu schaffen. Nicht alle Bosse sind bereit, die Produktion zu stoppen, und die laufenden Kämpfe werden weitergehen. Deshalb wird es Konflikte darüber geben, wie die Sicherheitsmaßnahmen an den als lebenswichtig erachteten Arbeitsplätzen umgesetzt werden sollen, und es wird Kämpfe geben, um diejenigen Betriebe zu schließen, die versuchen, am Laufen zu bleiben, obwohl sie als nicht lebenswichtig erachtet werden.Die Vereinbarung, die die Gewerkschaftsführer unterzeichnet haben, lässt unklar, was lebenswichtig ist und was nicht. Sie hinterlässt auch Schlupflöcher, die die Fabrikbesitzer nutzen können. So haben beispielsweise allein in Bologna 2.000 Unternehmen eine Ausnahme von der Schließung beantragt. In La Spezia in der Region Ligurien wurden die großen Waffenfabriken Leonardo und MBDA vom örtlichen Präfekten von der Schließung ausgenommen, obwohl die Gewerkschaften die Schließung dieser Fabriken gefordert hatten.Der Präfekt begründet dies damit, dass alle nicht unbedingt erforderlichen Arbeitskräfte von zu Hause aus zur Arbeit geschickt wurden und für die verbleibende Belegschaft angemessene Maßnahmen ergriffen worden seien. Aber die beiden Werke haben auch eine Reihe von Fabriken, die Teile liefern, und in diesen Fabriken ist die Situation noch schlimmer. Dies hat den Zorn der Arbeiterinnen und Arbeiter hervorgerufen, die einen achtstündigen Streik mit Unterstützung der Gewerkschaften vorbereiten.Es ist klar, dass das, was von den Fabrikbetreibern als „unbedingt lebenswichtig" angesehen wird, nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Arbeitnehmer, sondern unter dem Gesichtspunkt der Profite betrachtet wird. Die Luft- und Raumfahrt, die Rüstungsindustrie, das Hotelgewerbe usw. sind zum Beispiel in der Liste der „lebenswichtigen“ Branchen enthalten.Wenn diese Kriterien weiterhin gelten sollen, ist es klar, dass sie die Erfahrung von Bergamo völlig ignorieren. Diese Region wurde in der Anfangsphase des Virusausbruchs nicht zur Roten Zone erklärt, weil es in der Provinz eine hohe Konzentration von Fabriken gibt.Somit bestehen die Voraussetzungen für einen anhaltenden Konflikt auf verschiedenen Ebenen zwischen den Arbeitern und den Bossen darüber, was als „lebenswichtig“ angesehen wird, welche Arbeitsplätze bestehen bleiben sollen und welche nicht. Die Gewerkschaftsführer arbeiten eindeutig daran, die Arbeiterfront aufzubrechen und zu demobilisieren.Dies ist auch eine Warnung an abhängig Beschäftigte in anderen Ländern: Seid auf alle Arten von Manövern vorbereitet, nicht nur seitens der Bosse, sondern auch der Regierung und vor allem der eigenen Gewerkschaftsführung. Dies wirft die Frage nach dem Aufbau von Strukturen auf, die es der Basis ermöglichen, Delegierte zu wählen, die am Verhandlungsprozess teilnehmen und den Arbeiterinnen und Arbeitern Bericht erstatten können, die das letzte Wort bei der Ratifizierung und den erzielten Vereinbarungen in dieser Frage haben.Das oberste Problem ist das der Führung. Ohne eine kämpferische Gewerkschaftsführung und ohne Kanäle, über die sich die Masse der Arbeiterinnen und Arbeiter ausdrücken kann, könnte die gegenwärtige Stimmung der Militanz geschwächt und zersplittert werden, wobei einige Arbeiterinnen und Arbeiter nach Hause geschickt werden und andere arbeiten müssen.Wenn diese Phase abgeschlossen ist, wird die nächste Periode davon geprägt sein, dass die Werktätigen die Pandemie aussitzen und auf ihr Ende in der Sicherheit ihrer Wohnungen warten, d.h. diejenigen, die das Recht dazu erworben haben.Das Bewusstsein macht einen Sprung nach vornDas wäre jedoch nicht das Ende des Prozesses, sondern nur eine Phase in einem tiefen und andauernden Prozess des erwachten Bewusstseins und der Radikalisierung. Die Menschen lernen sehr schnell. Abgesehen von dem Charakter des Systems beginnen Millionen von Beschäftigten, ein Gefühl für ihre eigene Stärke zu bekommen.Einer der Hauptfaktoren für den Zusammenhalt der kapitalistischen Gesellschaft ist das fehlende Bewusstsein der Arbeiterklasse über ihre eigene Stärke. Eine Situation, die die Arbeiterinnen und Arbeiter zwingt, sich als Klasse zusammenzuschließen und die potentielle Macht, die sie haben, zu nutzen und aus der Nutzung dieser Macht Ergebnisse zu erzielen, hat dramatische Auswirkungen auf das Denken der Masse der Arbeiterinnen und Arbeiter. Wenn sie erkennen, wie durch gemeinsames, koordiniertes Handeln Ergebnisse erzielt werden können, kommt der Hunger beim Essen, und sie erkennen, dass sie weit mehr erreichen können. Das unterstreicht die verräterische Rolle der Gewerkschaftsführer, die alles tun, um die Arbeiter davon abzuhalten, solche Erfahrungen des Klassenkampfes zu machen.Doch obwohl die gegenwärtige Krise die Menschen zwingt, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, findet ein weitreichender Radikalisierungsprozess statt. Und wenn die Pandemie vorbei ist, wird die Welt ganz anders sein als noch vor wenigen Wochen. Die Arbeiterklasse wird in einer ganz anderen Stimmung in die neue Zeit gehen. Sie wird sich der wahren Natur des Systems, aber auch ihrer eigenen Macht und Stärke viel bewusster sein.Dies sind sehr besorgniserregende Entwicklungen für die Kapitalistenklasse. Die Kapitalisten wissen, wie die Situation nach der Pandemie aussehen wird. Viele Unternehmen werden die Krise nicht überstehen. Es wird eine große Zahl von Arbeitslosen geben, die sich an einen Staat gewöhnt haben, der einspringt, um Abhilfe zu schaffen. Die Staatsverschuldung wird sich auf ein noch nie dagewesenes Ausmaß erhöht haben, etwas, das sie sofort in Angriff nehmen müssen. Die einzige Antwort, die die herrschende Klasse dann haben wird, ist, auf weitaus drakonischere Sparmaßnahmen zu drängen als die, die wir nach der Finanzkrise von 2008 gesehen haben.Die Mächtigen sind sich dieses Prozesses bewusst. Sie sehen mit großer Sorge den aufkommenden Klassenkampf und das damit verbundene Bewusstsein. Dies erklärt auch das sprunghafte Verhalten aller Regierungen, die von einem Tag auf den anderen von einer Position zur anderen umschlagen, da sie unter einem entgegengesetzten Klassendruck geraten. Dadurch werden sie in den Augen der Massen bloßgestellt: eine sehr gefährliche Entwicklung aus der Sicht der Kapitalistenklasse und der Institutionen des bürgerlichen Staates.In diesem Sinne ist es wie eine Kriegssituation. In Kriegszeiten kann sich das Bewusstsein sehr schnell von der Anfangsphase, in der der Gesellschaft von oben ein Geist der nationalen Einheit aufgezwungen wird, zu einem Geist der offenen Revolution entwickeln. Das Bemerkenswerte an der gegenwärtigen Situation ist jedoch, wie schnell sich die Klassendifferenzierung herausgebildet hat.Überall wird versucht, den Geist der nationalen Einheit zu fördern. In Italien werden die italienische Flagge und die Nationalhymne benutzt, um diese Stimmung zu schüren. Damit wird versucht, die Klassengegensätze herunterzuspielen, gerade wenn sie in ihrer schärfsten Form deutlich werden.In einer solchen Situation übernehmen die Reformisten innerhalb der Arbeiterbewegung ihre klassische Rolle als Vermittler zwischen den Klassen. In Britannien haben wir die Führer der Labour Party und der Gewerkschaften und sagen: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Es wird hier zum Beispiel darüber spekuliert, dass sich Boris Johnson trotz seiner haushohen 80-Sitze-Mehrheit im Parlament möglicherweise auf die Labour-Partei stützen muss, um zu überleben.Überall herrscht ein Hauch von „Allparteienregierungen“. In Italien ist die Regierung mit den Oppositionsführern zusammengetroffen, und es ist die Rede von einem „technischen Ausschuss“, der sich mit der Opposition abstimmen soll.Die Kapitalisten bereiten sich auf die Zukunft vorEin weiteres Merkmal der neuen Situation ist die wachsende Präsenz von Polizei und Armee auf den Straßen. Vorerst werden die Menschen ihre Präsenz unterstützen und das Gefühl haben, dass sie in dieser kritischen Situation helfen. Das medizinische Militärpersonal und seine Erfahrung beim Aufbau von Feldlazaretten in Kriegssituationen werden genutzt. Militärtransporte werden für den Transport von Hilfsgütern - und tragischerweise auch von Särgen - eingesetzt. All dies vermittelt das Bild einer Armee, die auf der Seite des Volkes steht. Militärische Spitzenkräfte werden im Fernsehen präsentiert, als wären sie ein wichtiger Teil im Kampf gegen das Coronavirus.Gleichzeitig wird die Verfolgung von Personenbewegungen über Mobilfunknetze immer häufiger eingesetzt. Es gibt sogar die Berechtigung, Drohnen zur Verfolgung von Bewegungen einzusetzen. Auch dies wird angesichts der Notfallsituation von vielen Menschen als gerechtfertigt hingenommen.Wir müssen jedoch verstehen, dass dies auch Teil einer Politik ist, die die Menschen daran gewöhnen soll, bewaffnete Soldaten und Militärfahrzeuge auf den Straßen zu sehen, und sie an die Idee einer weitreichenden Überwachung gewöhnt.Die herrschende Klasse ist sich des revolutionären Potenzials der Situation voll bewusst und weiß, dass Massenbewegungen vorbereitet werden, sobald die Menschen in großer Zahl auf die Straße zurückkehren können. Deshalb müssen sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel vorbereiten, um der neuen Situation gerecht zu werden. In Zukunft werden sie die kämpferischsten Arbeiter und Jugendlichen, die natürlichen Führer, die in den Betrieben und Hochschulen in Erscheinung treten werden, im Zaum halten wollen.Die weit verbreitete Radikalisierung ist darauf zurückzuführen, dass es immer deutlicher wird, dass der „Markt“ unter diesen Bedingungen nicht funktioniert. Es gibt viele Artikel, sogar von reaktionären bürgerlichen Kommentatoren, in denen es darum geht, dass „wir jetzt alle Sozialisten sind“, was ein Eingeständnis der Tatsache ist, dass direkte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft beinhalten, notwendig sind. In allen Ländern greift der Staat aus Furcht vor einem gesellschaftlichen Aufruhr mit riesigen Geldmitteln ein, um den Menschen durch diese Krise zu helfen, aber auch mit viel Geld für Unternehmen, um sie vor dem Untergang zu bewahren. So sollte der Markt nicht funktionieren.Die Menschen werden sich an all das erinnern, und wenn die Krise vorbei ist, werden sie fragen, warum wir diese Maßnahmen nicht beibehalten können. So wird sich eine neue Welle des Klassenkampfes entfalten.Die Suche nach der RevolutionInnerhalb dieses Prozesses entsteht in den fortschrittlichsten und bewusstesten Schichten sowohl der Jugend als auch der Arbeiter ein revolutionäres Bewusstsein. Das bedeutet, dass eine viel breitere Schicht der Bevölkerung für revolutionäre Ideen offen ist, und die einzigen wirklich konsequenten revolutionären Ideen sind im Marxismus zu finden. Die Menschen wollen verstehen, warum all dies geschieht und was man dagegen tun kann. Unter solchen Bedingungen können revolutionäre Ideen viel breitere Schichten erreichen.Wir haben Beispiele in unserer täglichen Arbeit, wo Initiativen, die von kleinen Gruppen von Genossen ergriffen werden, plötzlich ein viel breiteres Gehör finden, als wir es gewohnt waren. Dies wird auch weiterhin zunehmend der Fall sein. Die kleinen Kräfte des echten Marxismus wachsen bereits, und wir erreichen immer breitere Schichten. Das bedeutet, dass wir den Prozess des Aufbaus der marxistischen Tendenz innerhalb der Arbeiterbewegung und unter der Jugend in allen Ländern beschleunigen können.Wir müssen verstehen, dass Ideen, die in der vorangegangenen Periode nur eine sehr kleine Schicht erreichen konnten und als „extrem“ betrachtet wurden, jetzt breitere Kreise erreichen können, da die „extremen“ Bedingungen sie weitaus relevanter machen. Der Bewusstseinssprung, der stattgefunden hat, eröffnet eine völlig neue Situation, und die Marxisten sollten ihre Anstrengungen vervielfachen, um innerhalb der Arbeiterklasse und der Jugend eine Kraft aufzubauen, die die Gesellschaft aus der historischen Krise, in der sie sich jetzt befindet, herausführen kann.